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Teil 1 : Von Mädchen, die um 1900 "in Stellung" gingen oder : Wie die Dienstmädchen schuften mussten!!

[Online seit 08.09.2020]

Teil 1: Von Mädchen, die um 1900 „in Stellung“ gingen oder: Wie die Dienstmädchen schuften mussten!!
Das Lied von  Claire Waldorf: „Sabinchen war ein Frauenzimmer, gar hold und tugendhaft. Sie diente treu und redlich immer bei ihrer Dienstherrschaft“ ist uns als Drehorgellied bekannt und stellt nur eine Seite der Sorgen der jungen Mädchen um die Jahrhundertwende dar. Witzzeichnungen und Geschichten von der „Minna“ stellen in unserer heutigen Vorstellung nur wenig von den wirklichen Anforderungen der Mädchen um 1900 dar. Es gibt hierzu eine Menge Literatur, aber nur wenige Mitbürgerinnen oder Mitbürger können von Erzählungen von Mädchen berichten, welche um 1900 in die Städte oder sogar in die Schweiz gingen, um dort zu dienen oder sich genügend hausfrauliche Erfahrungen zu sammeln.
Deswegen zitiere ich hier einige Beispiele aus dem Buch von Marie Susanne Kübler (Frau Scherr) aus ihrem Buch „Das  Hauswesen nach seinem ganzen Umfange dargestellt in Briefen an eine Freundin mit Beigabe eines vollständigen Kochbuches, bearbeitet von Pauline Klaiber“ (Stuttgart 1912, Verlag von J. Engelhorns Nachf. S. 10 ff.).  Das Buch erschien seit 1849 in mehreren Auflagen und ist in der Schweiz und ganz Deutschland verbreitet.
„Ich nehme an, dass du dich vorerst mit einem Mädchen begnügen werdest. Von diesem verlangst du, dass es zur Winterszeit um halb sieben, zur Sommerzeit um 6 Uhr aufstehe; denn besonders hier bewährt sich das Sprichwort: „Morgenstund hat Gold im Mund!". Verspätet sich das Mädchen nur um eine halbe Stunde, so bringt sie diese verlorene Zeit den ganzen Tag nicht wieder ein, und du wirst merken, dass es mit allem zu spät fertig wird, so sehr greifen die Hausgeschäfte ineinander ein. Wenn das Mädchen das Frühstück zugesetzt, zur Winterszeit, wo es nötig ist, „Feuer in den Öfen gemacht" hat, soll es, während das erstere zum Sieden kommen muss, die Zimmer auskehren, auslüften und vom Staube reinigen. Nach dem Frühstück lässt du die Tags zuvor getragenen Kleider ausbürsten. Jetzt kommt eine Zeit, die von den Mädchen gern, man weiß nicht wie, vertrödelt wird, wenn du nicht häufig nachsiehst. Du musst durchaus darauf halten, dass nun unverzüglich die „Treppen und Gänge gekehrt", nach beendigtem Frühstück das Geschirr wieder in die Küche getragen und das Zimmer von allen Spuren des Mahls befreit und wieder geordnet werde; denn es zeugt immer von einer gewissen Nachlässigkeit der Hausfrau, wenn der Tisch im Speisezimmer bis in den Vormittag hinein von dem Kaffeegeschirr belagert ist. --- Hat das Mädchen eine etwas ungeschickte Hand, oder ist es überhaupt ziemlich unvorsichtig, so tut die Hausfrau besser, das wertvolle Geschirr selbst aufzuwaschen und zu reinigen.
Dann müssen „die Betten gemacht" und die Schlafzimmer gereinigt werden. Beim Betten ist zu beobachten, dass es nur mit „reiner Schürze und reinen Händen" vorgenommen wird. Die Betten müssen bei offenen Fenstern tüchtig aufgeschüttelt und auf Stühlen ausgebreitet werden. So lässt man sie täglich einige Zeit liegen und auslüften, während man den Waschtisch usw. ordnet. Das Schlafzimmer sollte in jeder Haushaltung gerichtet werden, bevor man ans Kochen geht; gestatten es manchmal die Umstände nicht, so soll es unfehlbar geschehen, wenn die für das Mittagessen bestimmten Gerichte zugesetzt sind. Der Rest des Vormittags wird in der Küche zur Zubereitung der Speisen, dem Spülen des Geschirrs und dem „Reinigen" der (Petroleum-) Leuchter (oder Kerzenständer) und „der Lampen" vom vorgehenden Abend zugebracht. Vor allen Dingen aber sieh drauf, dass die zum Mittagessen bestimmte Zeit streng eingehalten werde. „Die Männer warten nicht gern auf die Suppe und setzen sich bei einer Verspätung in der Küche oft verstimmt zu Tische!"

Nach dem Essen soll rings um den Esstisch ausgekehrt, dann das Küchengeschirr gespült, die Spülbank und der Tisch „abgewaschen und zuletzt die Küche ausgekehrt werden. Jetzt schaffe das Mädchen das für einen Tag nötige Brennmaterial in die Küche" und besorge, was für den Abend und für den nächsten Tag vorbereitet werden kann.
Sind die Geschäfte getan, so bleiben dem Mädchen einige Stunden, die „mit allerhand nützlichen Beschäftigungen" ausgefüllt werden können: „Stricken", Waschen der Wollwäsche, Putzen der Fenster, des Silbers, der Glasglocken und Spiegel; „Anfertigung schmaler und breiter Nudeln" im Voraus; Ausklopfen der Sommerkleider im Winter, der Winterwaren und Pelzsachen im Sommer, sowie deren gründliche Reinigung von Flecken und sorgfältige Aufbewahrung vor Motten; Putzen der Mädchenkammer, „Gartenarbeit". Ich möchte dir raten, in der Berücksichtigung auf Zeit-, Feuerungs- und Geldersparnisse eure Lebensweise mit drei Mahlzeiten täglich einzurichten, dem Frühstück, dem Mittag- und dem Abendessen, das auf sieben Uhr abends, im Sommer auf sechs oder acht Uhr verlegt wird. Sollte die Zeit zwischen dem Mittag- und Abendessen zu lange dauern, so kann man sich ja um vier Uhr mit Brot, etwas Butter und Obst behelfen.“
Philipp Bickle/Fotos: Ph. Bickle

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