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Statt Sprengen: Stetes Klopfen fällt den Stein

[Online seit 25.05.2009]

Renaturierung: Bis Ende des Jahres sollen 66 der 70 ehemaligen Munitionslagerhäuser der Bundeswehr in der Unteren Lußhardt abgebrochen sein / Vier bleiben erhalten

Ein dumpfes Grollen wie ferner Donner, ein aufheulender Dieselmotor, ab und zu das Prasseln von Steinen - erstaunlich wenig Lärm entsteht, wenn 290 Kubikmetern Betonkubatur mit 30 Tonnen Bewehrungsstahl in Trümmer gelegt werden. Würden die 70 Bunker gesprengt, die bis vor sieben Jahren als Munitionslagerhäuser der Bundeswehr in der Unteren Lußhardt zwischen Reilingen und Kirrlach dienten, dann würde der Abbruch gewiss in der Umgebung stärker wahrgenommen werden. Doch Sprengung mache bei einer Wandstärke von gerade 30 Zentimetern Stahlbeton wenig Sinn, weiß Ulrich Steinle von der Außenstelle Karlsruhe des Hochbauamts Baden-Baden.

Steinle ist Experte, wenn es buchstäblich um "dicke Brocken" geht: Er bringt Erfahrung aus dem Abriss von Westwall-Bunkern und zwei weiteren Bundeswehr-Depots mit. Die "MLHs" seien dagegen fast schon "Zelte". Allerdings lieferten sie allerbestes Recyclingmaterial. Vor allem deshalb hat er der Abteilung Forstdirektion des Regierungspräsidiums Freiburg, den "behutsamen" Rückbau über den Abrissbagger empfohlen.

Im Eigentum des Landes
Der Wald ist Eigentum des Landes Baden-Württemberg, das dem Bund in den 60er Jahren das 115 Hektar große Areal auf Altlußheimer Gemarkung die Nutzung als Munitionsdepot gestattete. Der Bund trägt die Kosten für die Renaturierung, die nach Berechnungen Steinles günstiger ist als die dauerhafte Verkehrssicherung des Geländes.

Über fünf Straßen verteilt wurden Mitte der 80er Jahre Munitionslagerhäuser in drei Größen zwischen 30 und 180 Quadratmetern errichtet. Zurzeit fressen sich Meißel und Fallbirne des Baggers des Karlsruher Abbruch-Spezialisten Münzner Bau GmbH durch die letzten Bunker der vierten Straße. Das Unternehmen, das unter anderem auch die Schwetzinger Verlagsdruckerei oder den ehemaligen Aldi-Markt in Hockenheim plattgemacht hat, gewann beide Ausschreibungen und wird voraussichtlich bis Ende des Jahres jene 66 "MLHs" dem Erdboden gleichgemacht haben, die entfernt werden.

Vier Bunker bleiben stehen
Vier der bestens erhaltenen Betonklötze, die von der Rückseite betrachtet wie eine sanfte Hügellandschaft aussehen, da sie mit jeweils 2200 Kubikmetern Erdabdeckung versehen wurden, die im Lauf der Jahre dicht bewachsen wurde, bleiben erhalten. Nicht etwa als Mahnmale für Frieden und Abrüstung, sondern als Lager und Schlechtwetterarbeitsplatz für den Staatsforstbetrieb - beispielsweise für den Bau von Hochsitzen - sowie als Lager für das Philippsburger Pyrotechnik-Unternehmen "Art & Fire".

Mit den Feuerwerkern hat das Regierungspräsidium einen Gestattungsvertrag abgeschlossen - "die staatlichen Auflagen für solche Unternehmen sind anderswo nur schwer zu erfüllen", erläutert Jörg Wetzel, der bei der Forstdirektion das Altlußheimer Depot betreut. Die Überlassung erfolge ausschließlich zu diesem Zweck, und über eine Bürgschaft sei sichergestellt, dass ein späterer Abriss zulasten von "Art & Fire" gehe.

Münzner Bau hat für das Projekt keineswegs eine große Flotte im Einsatz: Zwei Bagger teilen sich die Arbeit des Freilegens und Abbrechens einerseits und Zerkleinern und Trennen des Abbruchmaterials andererseits. Als Endprodukte bleiben Betonstücke mit einer Körnung von bis zu 45 Zentimetern und Stahl.

Dass für den Metallschrott die Preise zuletzt dramatisch gefallen sind, habe die Resultate für die zweite Ausschreibung nicht nach oben getrieben. Es hätten sich aber weit mehr Unternehmen als bei der ersten Tranche beworben - für Steinle Ausdruck der Wirtschaftskrise auch in der Baubranche.

Beton bestens erhalten
Dass vor 25 Jahren äußerst solide gebaut wurde, sehe man den Bunkern an: Die Abdichtung gegen das überdeckende Erdreich per Folie sei so perfekt gewesen, dass der Beton auf der Außenseite genauso aussieht wie innen. Seine (vorgeschriebene) Wiederverwertung erspare den Abbau neuen Materials aus Baggerseen und Steinbrüchen.

Noch nicht endgültig ist die Verwendung des Anschütt-Materials. Da es sich um den gleichen Sand handle wie beim gewachsenen Boden, spräche nichts gegen dessen Verteilung in dem Gelände, das nach dem Ausgraben des Stahlbetons aussieht wie von einem gigantischen Maulwurf zerwühlt. Der Vertrag mit dem Abbruch-Unternehmen sehe die "Verebnung" des Geländes vor. Sollte sich aber im Stadium der Wiederbewaldung ein Interessent, etwa für den Straßenbau, finden, können der Sand auch abgefahren werden.

Pläne für Wiederbewaldung offen
Genauso offen ist laut Wetzel auch noch, wie die Wiederbewaldung der 115 Hektar erfolgen soll, wenn alle Bunkerreste beseitigt sind. Sicher ist, dass das Gelände wieder für die Bevölkerung zugänglich sein wird. Schließlich unterbricht der Zaun seit Jahrzehnten die traditionelle Verbindung Kirrlach-Reilingen über die Richtwege der Unteren Lußhardt für Radfahrer und Spaziergänger.

Ob sich die Natur allerdings aus eigenen Kräften das Areal zurückerobert, ob gezielt bestimmte Baumarten gepflanzt oder gefördert werden oder aber ob Biomasse, etwa für Hackschnitzelheizungen, angebaut wird, darüber steht die Entscheidung laut Wetzel noch aus.
Matthias Mühleisen aus SZ

http://www.reilingen.de//de/news/was-sonst-interessiert