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Aktuelles aus der Kirche

Typisch für Baumeister des Klassizismus - 200 Jahre evangelische Kirche

[Online seit 05.10.2021]

Professor Schumann erläutert praktische Ästhetik des Architekten Friedrich Weinbrenner / Schiff mit zwei Emporen einzigartig


Die vor zwei Jahrhunderten erbaute evangelische Kirche in Reilingen ist eng mit dem Namen Weinbrenner verbunden. Der im November 1766 in Karlsruhe geborene Johann Jakob Friedrich Weinbrenner war weit mehr als nur ein Architekt, er war auch Stadtplaner und galt als „Baumeister des Klassizismus“. Was ihn prägte, war seine gedankliche Vielseitigkeit und seine Offenheit sowie sein Organisationstalent. Er wird als selbstbewusst beschrieben, aber auch als uneitel und mit stets hohem Respekt vor der Person und den Leistungen anderer.
Parallel zu einer Zimmermannslehre im Betrieb seines Vaters besuchte er das Karlsruher Lyzeum, hatte Zeichenunterricht, arbeitete als 22-Jähriger als Bauführer in Zürich und Lausanne und entschloss sich in Wien zu einem Architekturstudium mit internationalen Studienaufenthalten. Mit 33 Jahren kehrte er nach Karlsruhe zurück und war bereits im folgenden Jahr als Badischer Baudirektor für das gesamte staatliche Bauwesen zuständig.
Professor Dr. Ulrich Schumann, der Präsident der Friedrich-Weinbrenner-Gesellschaft Karlsruhe, erläuterte zum Abschluss der Jubiläumsfeierlichkeiten die Grundsätze der Bauweise der evangelischen Kirche in Reilingen. Schumann hatte auch die informativen Schautafeln zusammengestellt, die detailliert die Geschichte dieser Jubiläumskirche darstellten.
Deutlich wurde, dass der Bau der evangelischen Kirche in Reilingen vor gut zwei Jahrhunderten durchaus spannend war. Erst dauerte es, bis seitens der zuständigen Behörden die Einsicht kam, dass die alte Kirche zu klein und baufällig war, dann gab es Ärger wegen der Finanzierung, sodass ein Gericht eingeschaltet werden musste, das letztendlich den Reilingern Recht gab, die mehr staatliche Hilfe forderten. Und wirklich spannend ist natürlich die Frage, wer denn nun wirklich der Architekt der Kirche war. Die Dokumente von damals sind sehr lückenhaft, Planunterlagen oder Ähnliches sind unauffindbar.

Handschrift klar zu erkennen
Außer Friedrich Weinbrenner könnte auch Gustav Frommel an der Planung beteiligt gewesen sein. Frommel war nicht nur Baumeister, er war auch Weinbrenners großer Konkurrent, denn er hatte sich 1801 ebenfalls um die Stelle als Badischer Baudirektor beworben, musste aber Weinbrenner den Vortritt lassen. In Reilingen gab es jedenfalls 1807 einen Bauentwurf von Frommel, der aber nicht realisiert wurde. Später legte Frommel weitere Pläne für Reilingen vor, interessanterweise wurde aber ein anderer Entwurf realisiert. Und diese Kirche ähnelt jetzt einigen Kirchen, die Friedrich Weinbrenner selbst vollständig geplant hatte. Man kann also zur logischen Konsequenz kommen, dass Weinbrenner als Baudirektor eingreifen durfte und dies auch in Reilingen realisiert hat und dabei die Pläne in seinem Sinne und nach seinen Überlegungen umzeichnete. Dies liegt wiederum nahe, zumal ja die Kirche von Fachleuten als typisch für Friedrich Weinbrenner bezeichnet wird.
Weinbrenners Gedanken, so erläuterte es Dr. Ulrich Schumann während der Exkursion, gingen immer weit über die Planung hinaus, die er gerade bearbeitete. Er sah die Bauwerke, die er plante, nicht als prachtvolle Monumente an, sondern interessierte sich vorab für die Menschen, die darin zusammenkommen. Schließlich plante er nicht nur Kirchen, sondern auch weltliche Bauwerke wie etwa Rathäuser und viele weitere repräsentative Bauten.
Mitunter spricht man dabei auch von einer „praktischen Ästhetik“, die seine Planungen wesentlich beeinflusst. Durch diese Individualität des Planens und Bauens sei die Reilinger Kirche, so Schumann, bis heute eine moderne und einzigartige Kirche geblieben. Eine „dreistöckige Kirche“, also ein Kirchenschiff mit zwei Emporen wie in Reilingen, wird weit über Baden hinaus nicht mehr zu finden sein.
Philipp Bickle konnte mit Details zur ehemaligen und jetzigen Kirche in Reilingen die Ausführungen Schumanns ergänzen. Anke Wahl, die Vorsitzende des Jubiläumskreises, dankte abschließend dem Referenten und Vorsitzenden der Weinbrenner-Gesellschaft, Dr. Ulrich Schumann, und Pfarrerin Eva Leonhardt würdigte die Arbeit des Jubiläumskreises zum 200-Jahre-Jubiläum der Kirche, der durch die Corona-Zeit auch seine Improvisationsfähigkeiten habe unter Beweis stellen können.
 


Die Weinbrennerkirche ist nicht nur die evang. Kirche, sondern auch ein „kommunales Kulturdenkmal“. Seit geraumer Zeit konnte dort eine Ausstellung mit Führungen zur Historie der Kirche besucht werden
Auch Bürgermeister Stefan Weisbrod ist sehr an der Reilinger Geschichte interessiert und ließ es sich nicht nehmen an einer Führung mit Ehrenbürger Philipp Bickle teilzunehmen.

Ab dem kommenden Wochenende wird die Ausstellung wechseln. Es wird die Wanderausstellung:
„Wege aus der Depression“ für die nächsten Wochen dort zu Gast sein.

Geöffnet ist die Ausstellung immer:
Freitag und Samstag, 16-20 Uhr
Sonntag 14-18 Uhr

Fotos: Gemeinde + Schwindtner

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