Wir berichten
Vor 100 Jahren in Reilingen:
[Online seit 08.01.2019]
Vom „Kinomathographentheater“ oder „Als die Bilder laufen lernten“! (Teil 1)
Vor über 100 Jahren war die Schwarzweißfotografie so weit entwickelt, dass man die Bilder statt auf einer Glasplatte auf einem beweglichen „Film“ aufbringen konnte. Zahlreiche Erfindungen führten dann auch zu einer „Filmkamera“ und einem Abspielapparat, dem „Kinomathographen“. Diese Geräte waren einfach, und der abgespulte Film war ein „Rundfilm, der sich ständig wiederholte oder schließlich in eine „Kiste“ fiel .Aber allmählich verbesserte sich die Technik und der „Film“ trat seinen Siegeszug über die ganze Welt an. Um Platz für genügend Zuschauer zu haben, benützte man die bisher bekannten Theaterräume oder die großen Versammlungsräume der Gastwirtschaften. Die neue Einrichtung erhielt den Namen „Kinomathographentheater“ und überall sprossen nun Lichtspieltheater aus dem Boden.
Im Jahre 1919, also vor hundert Jahren, stellte der Reilinger Bürger Ludwig Müller aus der Ziegelgasse 245 (heute Nr. 23) den Antrag auf Zulassung eines „Kinomathographentheaters“ gegenüber im Gasthaus „Pfälzer Hof“ (heute „Reilinger Hof“, früher bei den Reilingern nur als „Osmund“, dem Vornamen der langjährigen Wirte „Osmund (senior) und Osmund (junior) Geiß benannt.) Aber das erste Reilinger Kino blieb nur wenige Jahre in Betrieb. Es fiel den schlechten wirtschaftlichen Zeiten zum Opfer, und es wurde geschlossen. Ludwig Müller stellte etwa seit 1900 bis nach dem 2. Weltkrieg auch Zigarren her. Ebenso hatte sein Stiefbruder Adam Müller in der Ziegelgasse ( Nr. 39) eine eigene Zigarrenproduktion.
Im Jahre 1928 gab es wieder Bestrebungen, im Gasthaus „Zur Eintracht“ ( heute: Metzgerei Wolfgang Kuderer in der Hauptstraße 157) ein Kino zu eröffnen, was aber nicht zur Ausführung kam. Im Dritten Reich gab es dann fahrende Kinos, welche auf öffentlichen Plätzen Propagandafilme zeigten. Sonst aber mussten die Reilinger nach Hockenheim oder Neulussheim gehen, wenn sie einen Film sehen wollten. Mein Vater (Geburtsjahrgang 1908) erzählte immer, dass sie nach Hockenheim ins Kino liefen. Dort begleitete Herr Fingberg die Stummfilme mit passender Hintergrundmusik. Mein Patenonkel soll im Publikum immer aufgefallen sein, weil er alle Blicke durch sein lautes Lachen auf sich zog.
Im Jahre 1946 durften nun wieder amerikanische Filme, welche im III.Reich verboten waren, aufgeführt werden. Da eröffnete am 15. November 1946 Emil Back aus Rot (wiederum beim „Osmund“ in der Ziegelgasse ) ein Kino, welches bis 1952 blieb.
(Quellen:) 700 Jahre Reilingen, S. 396 Bilder vom Reilinger Postkartensammler Theo Busch. Sein Großvater war Ludwig Müller (1881 bis 1961)
Philipp Bickle