Ortsgeschichte

Dank Geophysik Wiedergefunden: Die Reste der Burg Wersau bei Reilingen
Reilingen auf der kurpfälzischen Wildbannkarte von 1548

Zurück zur Startseite - Zur Kategorie-Übersicht


1. Urkundliche Nachrichten über Wersau
500 m südöstlich des Ortskerns von Reilingen befindet sich die sogenannte Schloßmühle, und nur Wenige wissen, dass dort einmal eine der größten Burgen des Rhein-Neckar-Kreises stand.
Die erste Nennung der Burg Wersau datiert ins Jahr 1286, als sie vom Speyrer Bischof an die in Heidelberg residierenden Pfalzgrafen bei Rhein verkauft wurde. Jedoch wird die Familie der auf der Burg wohnenden Schenken v. Wersau schon 1153 erwähnt, ja der Verlauf der regionalen Geschichte lässt eine Erbauung um die Mitte des 11. Jh. vermuten.
Die Lokalität war für eine frühe Burg prädestiniert: Gelegen an der von Speyer über Wiesloch nach Wimpfen führenden Kaiserstraße dürfte sie ursprünglich als königliche Zollburg gedient haben, ging dann 1063 mit der so genannten Lußhardt-Schenkung an die Speyrer Kirche und wurde vom Bischof mit Niederadligen besetzt. Diese entfremdeten im Laufe der Zeit den Besitz, bis er 1286 an die Pfalzgrafen ging.
Danach ist mit einem größeren Aus- und Umbau zu rechnen. Im späten 13. bis 15. Jh. sind viele Besuche des hohen Adels bekannt: Graf Walrab v. Zweibrücken sowie die Kurfürsten Rudolf II., Ruprecht I. und Ruprecht II.; letzterer Empfing dort 1386 sogar die Boten des Papstes, die die Genehmigung zur Errichtung der Universität Heidelberg überbrachten. Weiter geht es 1406 mit König Ruprecht und 1448 mit den Pfalzgrafen Otto, Stephan, Friedrich und Ludwig und um 1525 Kurfürst Ottheinrich. Somit muss die Burg für Hochadelsbesuche bestens gerüstet und gut ausgestattet gewesen sein.
1462 hört man von einer Belagerung und - abgesehen von dem genannten Besuch Ottheinrichs - hören danach auch tatsächlich die VIP-Besuche auf; die Burg sinkt zu einer Kellerei ab. Große Zerstörungen des gesamten Komplexes werden 1622 vermeldet; danach baut man nur noch die Vorburg wieder auf. Letztere wird aber 1689, 1695 und 1707 durch französische Truppen zerstört.
Zwischen 1762 und 1764 reißt man die Ruine ab und nutzt die Steine zur Ummauerung des Friedhofs, für die Erneuerung der Mühle und für eine Scheune bei Schafhof. Der Abriss war so komplett, dass heute nur noch grob die Lage auf einem Wiesengrundstück bei der Wersauer Mühle bestimmt werden konnte.


2. Die erschließbaren Burggebäude
Aus alten Plänen und Baubeschreibungen geht hervor, dass Burg und Vorburg eine sehr große Ausdehnung gehabt haben müssen. Die von einer 8 m hohen Ringmauer umgebene, ovale Kernburg bestand aus einem hohen Turm (quadratische Signatur in Abb. 2), einem unterkellerten Palas, weiteren Nebengebäuden und einem Brunnen.
Die außerhalb der Umwehrung gelegene Vorburg gliederte sich in Schafhof, Viehhof, Vorhof, Mühle und Zollhaus, die wiederum aus vielen einzelnen Gebäuden aufgebaut waren. Genannt werden u.a. Frucht-, Schweine-, Pferde- und Schafscheunen, Speicher, ein Jägermeisterbau und ein Spritzenhaus. Insgesamt lassen sich 24 Gebäude erschließen. Als Besonderheit wird immer wieder vermerkt, dass die Burg außer den Fundamenten ausschließlich aus Backsteinen bestehe - was für unseren Raum tatsächlich kaum Parallelen findet.
Im Plan von 1690 sind allein im Vorhof 9 Gebäude sowie drei weitere Türme eingezeichnet und auf der Höhe des Schlosseinganges befand sich eine Trennmauer.


3. Archäologische Funde
Seit über 15 Jahren begeht der Verfasser ehrenamtlich das Areal rund um die Burg und konnte dabei viele Tausend Kleinfunde bergen. Meist sind es kleinst zerscherbte Reste von Keramik, aber hin und wieder auch interessantere Dinge. Gefunden wurden Reste von Kochtöpfen, Krügen, Trinkbechern, Signalhörnern, Handwaschgefäßen, Ofenkacheln, ornamentierten Bodenfliesen, Messergriffen, Glasbechern u.a.
Momentan datieren die Funde nur vom frühen 13. bis ins 16. Jh. Dass die ältere Burgphase des 11./12. Jh. nicht vertreten ist liegt daran, dass die Funde von Feldern stammen, die über 150 m von der Kernburg entfernt sind.
Auffällig, aber für hochadlige Burgen typisch ist der deutliche Anteil von Importware: Krüge aus Dieburg bei Darmstadt, Steinzeug aus Siegburg im Rheinland und dem Westerwald, südhessische Glimmerware. Ebenso zeigen Funde von gehobenem Komfort wie glasierte und verzierte Ofenkacheln der Zeit um 1400, viele Trinkbecher sowie die Signalhörner und Bodenfliesen eine überdurchschnittlich ausgestattete Burg an.


4. Die neuen Untersuchungen
Im Jahr 2007 erwarb die Gemeinde Reilingen das Grundstück und beauftragte - bevor irgendwelche Planungen zur Nutzung des Areals überhaupt angedacht werden sollten - das geophysikalische Büro "Terrana" aus Mössingen mit der zerstörungsfreien Untersuchung der Burgreste durch eine geoelektrische Widerstandsmessung. Ein zweifacher Glücksfall!
Normalerweise wird ja leider meist erst eine Bebauung geplant und dann dem Denkmalamt diese "zum absegnen" präsentiert. Hier lief es Dank des historischen Bewusstseins der Gemeindeverwaltung genau anders herum: Ein lokalhistorisch geschätztes Bodendenkmal wird erworben, und man will sich vor jeglicher Planung einer Nutzung darüber klar werden, wie man diese ohne große Zerstörung der archäologischen Substanz realisieren kann. Beispielhaft!
Der zweite Glücksfall war die sich herausstellende Kompetenz der ausführenden Untersuchungsfirma Terrana. Durch die geoelektrischen Messungen konnte über die Hälfte der ehemaligen Burg erfasst und rekonstruiert werden. Mit dem Verfahren ist es möglich, in tieferen Schichten Steine (dunkel) und leichtere Verfüllungen (hell) zu unterscheiden.

Man kann nun diese wissenschaftlich nachgewiesenen Fundamente mit dem Plan von 1690 vergleichen und sich an eine Deutung der Anlage wagen:
Ein erstaunlich breiter Wassergraben (2A/B) umgibt die Kernburg (3) von 45 m Breite und über 60 m Länge - der nördliche Teil liegt leider nicht messbar unter dem asphaltierten Parkplatz. Beide werden durch den erst im 19. Jh. angelegten Mühlgraben (1) durchzogen.
Im Nordosten der Kernburg zeigen sich am Rand des Wassergrabens zwei steinerne Gebäudereste (4), die sicherlich Toren bzw. Tortürmen zwischen einer Brücke zuzuordnen sind.
Die fast 60 m lange, abknickende Gebäudeflucht weiter östlich (5) gehört zur Vorburg und dürfte mit den schon genannten Pferde- und Schweineställen identisch sein. Diese sind auch in dem Plan von 1690 gut erkennbar. Zwischen 4 und 5 lässt sich ein Mauerzug nachweisen, der ebenfalls im alten Plan enthalten ist.
Das 23 x 13 m messende Gebäude 6 wird eine große Fruchtscheune oder ein Bandhaus darstellen. Es stimmt wohl mit dem 1690 genannten Spritzenhaus überein. An der südöstlichen Ecke zeigt die Geoelektrik massives, quadratisches Mauerwerk von ca. 6 m Länge an - es ist vermutlich der 1690 als baufällig genannte Hinterturm.
Die anderen Gebäudereste sind aus dem 18./19. Jh. bzw. nicht deutbar.
Eindeutig geht aus den Messwerten hervor, dass sich die Burg bis auf das östliche Nachbargrundstück erstreckt und auch noch weit nach Norden, wohl sogar noch über den Bach hinausgreift.

Somit konnte 386 Jahre nach der Zerstörung der Kernburg bzw. 245 Jahre nach dem kompletten Abriss der Anlage doch noch viele im Boden erhaltene Mauerreste der Burg Wersau nachgewiesen werden. Es wird nun einer sehr behutsamen Planung bei der Nutzung des Geländes bedürfen - aber die ersten richtigen Schritte sind ja schon gemacht.
Ludwig H. Hildebrandt
( 22.12.2008 - 08:17)

Zurück zur Startseite - Zur Kategorie-Übersicht

Plan der Burg Wersau um 1690 (GLA H, BS-II/65)Plan der Burg Wersau um 1690 (GLA H, BS-II/65)
Messwerte der Fa. Terrana mit Eintragung der DeutungMesswerte der Fa. Terrana mit Eintragung der Deutung

© Gemeinde Reilingen 2008